Das Fieber – Solo für zwei Stimmen

Georg Büchner starb mit 23 Jahren an Typhus. Vierzehn Tage lang fieberte er von Projekten, Freunden, von Flucht und Verfolgung, von seiner Familie, von seiner Braut. Delirien wechselten mit lichten Momenten, Klarheit des Urteils mit Wahnträumen. "Er sprach fast immerwährend", notierten Caroline und Wilhelm Schulz - die engen Freunde, die den Sterbenden pflegten und seine letzten Tage in ihrem Tagebuch festhielten.

                                                                   

 

Die Autoren über ihre CD

 

Siegfried Palm: "Es ist etwas Besonderes für mich, so etwas habe ich noch nicht gemacht. Der Plan für ein gemeinsames Projekt bestand schon lange, dann brachte Martin Reinke seine Idee der Büchner-Montage in eine Textgestalt. Während der Probenarbeit, die sich über ein Jahr hinzog, entstand ein Stück, das nicht auf musiktheatralische Bühnenwirkung setzt, aber auch kein musikalisch begleiteter Rezitationsabend eines Schauspielers ist. Wir wollten etwas Neues: nicht abwechselnd Text lesen und Musik spielen. Es sollte eine Verquickung sein von Gedanken und Klängen, und so entstand dieses kammermusikalische Duo."

Martin Reinke: "Büchner scheint auf dem Totenbett von einer Sorge besonders heftig bedrängt gewesen zu sein: er hatte fliehen und die Freunde zurücklassen müssen, die für die gemeinsame Sache einsaßen; zugleich hätte aber sein Bleiben keinem von ihnen geholfen. Ich habe versucht, die Themen Flucht, Schuld, Ohnmacht, Versagen, Revolte, Sehnsucht nach Ruhe, nach der Geliebten in Fugenart zu komponieren, wobei der Text sich ab dem zweiten Drittel in sich selber spiegelt; hier beginnt auch die Vogelperspektive, Signal der Todesnähe des Kranken. Während das Chaos der Gedankenführung stetig zunimmt, findet die Sprachform ihre Ordnung, die Melodie ihren Rhythmus: in der im Distichon gehaltenen Stretta - mit abschließendem Sonett, dem strengen Klanggedicht der Romantik."

 

Rezensionen

 

DIE ZEIT (29. August 2002)

 

Zwei Wochen lag der deutsche Dichter Georg Büchner bei den Freunden Caroline und Wilhelm Schulz im Krankenbett, bis er am 19. Februar 1837 im Alter von 23 Jahren an Typhus starb. Er hatte gehofft, nach der Flucht aus dem „Leichenfeld“ Deutschland in Zürich zur Ruhe zu kommen, und fand doch nur den Tod. Als fiebrigen Wachtraum montieren der Schauspieler Martin Reinke und der Cellist Siegfried Palm Texte von Büchner zu einem stream of consciousness für eine Sprech- und eine Musikstimme. Von Büchners Ängsten vor neuer Verhaftung zieht sich der Bogen zu Beschreibungen des Hirns, vom Leiden an den menschlichen Automaten in Deutschland, denen „pünktlich pissen“ der höchste Ausdruck eines reinen Gewissens ist, zu Zärtlichkeitsbildern von seiner Verlobten Minna in Straßburg. Er versucht festen Boden zu finden: im Kinderreim, im heilenden Bild, in der Ironie, doch er fällt wieder zurück in die Verzweiflung an der Wirklichkeit, springt wieder in die Bitterkeit. „Doch sprach der Kranke immerfort“, notierte 1837 Caroline Schulz (,Er nannte mich manchmal Schmid’) und protokollierte zusammen mit ihrem Mann die letzten Tage des jungen deutschen Wilden. Es ist ein großer Monolog für zwei souveräne Stimmen geworden, in dem sich Lenz, Leonce und Lena noch einmal mit Danton treffen. Büchners wissenschaftliche Probevorlesung Über Schädelnerven sich über den Woyzeck legt. Befreit vom Zwang zum lehrreichen Feature, gewinnt das Hörbuch einen Sog, der das Wissen um das Werk Büchners nicht voraussetzt: Die Verzweiflung über die Enge des Lebens ist zeitlos. „Ich glaube, es gibt Menschen, die unglücklich sind, unheilbar, blos weil sie sind“. Mit eigenen Celloimprovisationen – dazu Bach, Hindemith oder Zimmermann – trägt Siegfried Palm die zärtlich-wütende Stimme von Martin Reinke und befreit sie. Sie konnten die Enge nicht ertragen: 1837 und 150 Jahre später.  Konrad Heidkamp

 

 

SALZBURGER NACHRICHTEN (11. Januar 2001)

 

... fesselnd, nachhaltig, unter die Haut gehend. Der innere Monolog führt tief hinein in Büchners Wahnwelten.

 

KÖLNER STADTANZEIGER (23. April 2000)


... schlichte Lebensäußerungen Büchners, etwa in Briefen, und die Kunsttexte – etwa aus "Leonce und Lena", "Dantons Tod", "Woyzeck" - alles verfugt.

 

LISTEN - Rezensionszeitschrift (7. Dezember 2001, Heft 63)
... der Hörer: benommen von dieser Inszenierung - ein Solo für zwei bravouröse Stimmen.

 

NEUE MUSIK ZEITUNG (April 2000)


... eine Einheit in der Verdichtung der Klangereignisse, in der schlafwandlerischen Sicherheit, dem traumatischen Pulsieren von Sprach- und Instrumentenklang.